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Mittwoch, 28.08.02: Kassel - Bad Gandersheim
Der
Morgen beginnt mit Frühnebel. Das Außenzelt ist außen vom Morgentau
und innen vom Kondenswasser pladdernass. Es hilft nichts, packe ich das Zeug
halt nass ein. Kurz nach acht bin ich wieder unterwegs durch die Fuldaaue Richtung
Norden. Ein Stück Zickzack durch die Nordstadt von Kassel ist hervorragend
ausgeschildert. Der Morgendunst hebt sich nur zögerlich und bietet romantische
Ausblicke auf die Fulda. Der Weg führt bis Hannoversch Münden direkt
am Fluss entlang. Hannoversch Münden ist sehenswert - fast ausschließlich
Fachwerkhäuser, teilweise herrlich schief und krumm. Die Stadt hieß
übrigens ursprünglich nur "Münden". Als Abgrenzung
zum ähnlichklingenden "preußisch" Minden hat sich dann
im Laufe der Zeit der Zusatz "Hannoversch" etabliert; amtlich heißt
die Stadt erst seit 1991 so. Hier fließen Fulda und Werra zusammen und
nennen sich ab sofort "Weser". Der recht bekannte Weserradweg
ist bereits einige Kilometer fuldaaufwärts ausgeschildert. Meiner ursprünglichen
Planung nach wollte ich eigentlich bis Höxter dem Weserradweg folgen und
dann auf dem R1 (diesmal nicht den hessischen, sonden den "richtigen"
R1 von Calais bis Königsberg) weiter nach Berlin fahren. Die von mir später
gewählte Route via Göttingen und Leinetal ist allerdings mindestens
30 km kürzer. Die Bequemlichkeit siegt, der Weserradweg muss warten. Er
steht aber auch schon auf meiner Radwegurlaubswunschliste! Ab
Hannoversch Münden fahre ich also nur noch ein kurzes Stück die Weser
entlang, um im Vorort Gimte nordostwärts ins Schedetal hinaufzufahren.
Ohne Radweg die B3 entlang, aber der Verkehr hält sich in Grenzen. Die
Steigung fährt sich flott, mittlerweile hat auch endlich die Sonne den
Vormittagsdunst durchdrungen. Hinter Dransfeld vertraue ich mich einem kleinen,
verbogenen Radwegschild an "Göttingen 13 km". Das war eine gute
Wahl; auf Feld- und Wirtschaftswegen geht es hinunter nach Göttingen. Ich
fahre mehr oder weniger der Straßenbeschilderung nach, bis ich auf die
Leine treffe und dort ein Schild "Leineradweg" steht. Punktlandung!
Erst noch ein kurzer Abstecher in die Innenstadt. Göttingen macht einen
freundlichen Eindruck - viele junge Leute, viele Fahrräder. Eine Studentenstadt
halt. Mit etwas Suchen finde ich die Leine wieder. Jetzt geht es 40 km nach
Norden, Richtung Einbeck. Das Leinetal wird überraschend breit und besteht
vor allem aus landwirtschaftlicher Nutzfläche. Schnurgerade zieht sich
der Radweg hin. Die Beschilderung ist mies, an vielen Abzweigungen fehlen Schilder
oder sind kaum lesbar - vergilbter Pfeil auf ausgeblichenem Gelb. Die Navigation
anhand der Karte fällt aber hier im dünn besiedelten Gebiet leicht.
Sehr lästig ist der Gegenwind - schon auf den Anhöhen unterwegs von
der Weser zur Leine hat er mich gebremst, durch das breite, flache Leinetal
bläst er jetzt ungehindert. Nordwind - so was Blödes. Ich gehe natürlich
bei meinen Planungen vom in Deutschland vorherrschenden West/Südwestwind
aus. Mein Tacho zeigt oft nicht mehr als 15 - 16 km/h an. Lästig ist auch
das ständige Windrauschen in den Ohren; ein Lärm, als wenn man mit
offenen Fenstern im Auto auf der Autobahn fährt. Die letzten 15 km bis
Einbeck geht es eine nicht wenig befahrene Straße entlang. Kurz
nach vier Uhr erreiche ich am Stadtrand von Einbeck den berühmten Radweg
R1. Das Schild ist allerdings wenig beeindruckend und sieht aus wie die Beschilderung
des hessischen R1 - fehlt nur der hessische Landeswappenlöwe. Es ist noch
früh genug, also fahre ich weiter die 22 km bis Bad Gandersheim; dort ist
in der Radkarte ein Campingplatz verzeichnet. Das Tal wird wieder enger und
schlängelt sich stärker, so fällt der Gegenwind weg und es fährt
sich deutlich entspannter. Vor halb sechs erreiche ich den Campingplatz, eine
sehr schöne Anlage. Kein Vergleich zu Kassel! Fürs Abendessen gibt
es ein Restaurant auf dem Gelände, Telefonzellen sind auch vorhanden (jaja,
peinliche Beichte: Ich bin handylos!). Kein Grund, das Campingplatzgelände
heute abend noch zu verlassen. Ich schlage mein Zelt neben einem Niederländer
auf, der schon länger auf dem R1 nach Berlin fährt. Er hat sogar noch
einen Gepäckanhänger am Rad, wozu braucht der bloß das ganze
Zeug? Er hat noch 1 ½ Wochen Zeit, sagt er. Hm, ich will Berlin eigentlich
nach drei weiteren Tagen erreichen...
Das Essen im Campingplatzrestaurant ist überraschend gut, wenn auch langsam.Egal,
ich habe ja Zeit. Um neun Uhr geht ein kurzer, heftiger Regenguss herunter,
der meine am Rad auslüftende Radlerkluft durchnässt. Ich lasse die
Klamotten gleich hängen, es wird eh nicht bis zum nächsten Morgen
trocknen.
120 km, Netto-Durchschnitt 17,6 km/h (Deutlicher Gegenwindeffekt)
© Martin Taplick, 11.09.2002. Letzte Änderung am 08.03.2008